Hufrollensyndrom
- Zum Pferdewohl
- 21. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juni
Hufrollensyndrom (Podotrochlose) – Eine häufige Lahmheitsursache beim Pferd
Das Hufrollensyndrom, auch Podotrochlose genannt, ist eine schmerzhafte Entzündung und degenerative Veränderung des sogenannten Hufrollenkomplexes beim Pferd. Es handelt sich dabei nicht ausschließlich um eine chronische Veränderung des Strahlbeins, sondern meist auch um eine Schädigung der umliegenden Weichteile. Podotrochlose zählt zu den häufigsten Ursachen chronischer Lahmheit bei Reitpferden.
Der Hufrollenkomplex (auch: podo- trochlearer Apparat) setzt sich aus mehreren Strukturen zusammen:
Strahlbein
Tiefe Beugesehne (Musculus flexor digitorum profundus)
Hufrollenschleimbeutel (Bursa podotrochlearis)
Strahlbeinbänder
Anteile der Gelenkkapsel des Hufgelenks (Articulatio interphalangea distalis)
Fasziale Verbindungen

Diese Strukturen wirken gemeinsam als stoßdämpfendes System und verteilen mechanische Kräfte – ähnlich dem Achillessehnenkomplex beim Menschen. Bei einem Hufrollensyndrom sind fast immer mehrere dieser Strukturen betroffen – und das in sehr unterschiedlicher Ausprägung.
Ursachen des Hufrollensyndroms
Die Entstehung ist multifaktoriell, doch mechanische Überlastung steht im Mittelpunkt.
Häufig genannte Ursachen sind:
Genetische Prädisposition
Huf- und Gliedmaßenstellung (z. B. Zwanghufe, lange Zehen, hohe Trachten, Fehlstellungen)
Unzureichende oder falsche Hufbearbeitung
Überbelastung, Fehlbelastung und mangelnde Bewegung
Akute Traumata
Mangelhafte Mineralstoff- und Spurenelementversorgung
Übergewicht
Überforderung junger Pferde (z. B. zu frühes Anreiten)
Harte Böden, zu viele enge Wendungen
Unphysiologische Bewegungen
Obwohl auch genetische und stoffwechselbedingte Faktoren eine Rolle spielen können, ist die mechanische Überlastung der entscheidende Auslöser. Deshalb ist es essenziell, die Ursachen dieser Überlastung zu erkennen und gezielt zu beheben.
Eine Hyperextension (Überstreckung) der unteren Gliedmaßen des Pferdes ist unbedingt zu vermeiden. Diese führt dazu, dass die tiefe Beugesehne unter hoher Spannung steht – was nicht nur das Strahlbein, sondern auch umliegende Strukturen, die an der Kraftübertragung beteiligt sind, schädigen kann.
Die enormen Kräfte, die auf den unteren Bereich der Gliedmaße wirken, können dann nicht mehr adäquat weitergeleitet werden, was zu strukturellen Schäden im Hufrollenkomplex führt.
Was führt zur Hyperextension der unteren Gliedmaßen?
Huf- und Gliedmaßenstellungen (angeboren oder erworben, z. B. durch Trauma oder falsche Hufbearbeitung)
Unphysiologische Haltungs- und Bewegungsmuster
Die Rolle der Hufbearbeitung
Die dorsopalmare Balance des Hufes, also das Gleichgewicht zwischen Zehe und Trachten, spielt eine zentrale Rolle.
Zwei häufige Problemstellungen:

Untergeschobene Trachten und lange Zehe:
Bei untergeschobenen Trachten und verlängerter Zehe gerät die tiefe Beugesehne unter Spannung. Die distale Gliedmaße zeigt eine Überstreckung (blauer Pfeil). Dadurch kommt es zu einer Kompression der Strukturen des Hufrollenkomplexes, insbesondere wenn zusätzlich eine unphysiologische Körperhaltung und Bewegung vorliegen. Im Gegensatz dazu zeigt der rechte Huf ein ausgewogenes dorsopalmares Gleichgewicht, ohne Anzeichen einer Hyperextension.

Zu hohe Trachten:
Auch überhöhte Trachten wirken sich negativ auf der Hufrollenkomplex aus. Der Hufmechanismus im hinteren Bereich ist stark eingeschränkt, wodurch sowohl die Durchblutung als auch die Stoßdämpfung beeinträchtigt werden. In der Folge ist auch die optimale Kraftweiterleitung gestört.
Ein dorsopalmares Ungleichgewicht in den Hufen kann zur Überstreckung (Hyperextension) der unteren Gliedmaßen führen. Dies korreliert nachweislich mit dem Hufrollensyndrom.
Daher ist es enorm wichtig, einen qualifizierten Hufbearbeiter oder Schmied zu finden, der sich an der funktionalen Sohle des Pferdes orientiert – diese gibt Aufschluss darüber, wie der Huf in seine natürliche Balance gebracht werden kann.
Körperhaltung und Bewegung sind entscheidend
Ein weiterer Faktor, der hohe mechanische Belastung erzeugt und zur Hyperextension beiträgt, ist die unphysiologische Körperhaltung und Bewegung des Pferdes.
Sehr viele Pferde zeigen taktunreine Gänge und eine rückständige Vorhand. Dies steht im Zusammenhang mit einer verlängerten Stützbeinphase der Vordergliedmaßen. Das bedeutet: Die Vorderbeine verweilen, gut erkennbar im Trab, zu lange am Boden. Dadurch wirken enorme Kräfte auf die Hufrolleneinheit, insbesondere unter dem Gewicht eines Reiters.


Auf Abb.4 steht das Pferd mit rückständiger Vorhand. Die Überstreckung der unteren Gliedmaße ist deutlich zu erkennen. Die tiefe Beugesehne steht unter Spannung. Wird dieses Pferd z.B. im Trab bewegt, zeigt es wie in Abb.5 eine Vorhand, die zu lange am Boden verweilt. Der rechte Hinterhuf ist bereits abgefußt, während das diagonale Vorderbein noch am Boden ist bzw. der Huf gerade erst abfußt. Das linke Vorderbein wird dadurch nicht nur erheblich überstreckt, sondern auch zur Einbeinstütze im Trab gezwungen. Bereits ohne Reiter wirken hier hohe mechanische Kräfte auf den Hufrollenkomplex – mit Reitergewicht verstärken sich diese Belastungen nochmals deutlich.
Überzeuge dich selbst! Analysiere Videos von Pferden im Trab: Fußen Vorder- und diagonaler Hinterhuf gleichzeitig ab? Schau dir die Bewegungen in Zeitlupe an, mache ein Standbild.
Es gibt Gliedmaßen- und Hufstellungen, die sich nur schwer oder gar nicht mehr korrigieren lassen. Umso wichtiger ist es, dass das Pferd seinen Körper biotensegral nutzen kann und nicht in unnatürliche, unphysiologische Haltungs- und Bewegungsmuster hineintrainiert wird – oft unbeabsichtigt und aus Unwissenheit.
Alle Reitweisen, Trainingsmethoden und Bodenarbeitsansätze, die eine verlängerte Stützbeinphase der Vorhand fördern, sollten vermieden werden – und zwar nicht nur bei bereits erkrankten Pferden, sondern grundsätzlich.
Du vermutest ein Hufrollensyndrom und suchst Unterstützung? Dann kontaktiere mich gerne.
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